Dr. Saskia Juretzek, Head of Sustainability bei der Tengelmann-Gruppe
06.09.2022

Interview mit Dr. Saskia Juretzek: Wie wird man CSR-Manager:in?

Warum dieser Beruf in Zukunft so wichtig wird, wie der Karriereweg aussieht und welche Kompetenzen angehende ESG-Manager:innen mitbringen sollten.

Der Beruf Nachhaltigkeitsmanager:in boomt. Während CSR-Manager:innen früher oft als reine Idealisten abgetan wurden, werden sie heute von Unternehmen händeringend gesucht. Der Klimawandel, das Artensterben, soziale Ungleichheiten, vor allem aber die wachsende Regulatorik haben zu diesem Wandel geführt.

Im Interview sprechen wir mit Dr. Saskia Juretzek über diese Entwicklung. Sie ist seit über zehn Jahren als CSR-Managerin in Großkonzernen aktiv, seit Juni 2022 Head of Sustainability bei der Tengelmann Twenty-One KG und Referentin in unserer VERSO Academy. Zusammen mit Sandra Broschat hat sie das Buch „Nachhaltige Karriere – mit dem richtigen Job die Welt verändern. Anregungen für den Ein- und Umstieg in die Nachhaltigkeit.“ herausgebracht. Wir gehen mit Dr. Saskia Juretzek den Fragen nach, wie man CSR-Manager:in wird, welche Kompetenzen man mitbringen sollte und welche Karrierewege möglich sind.

Nachhaltige Karriere

Saskia, der Titel eures Buches lautet: “Nachhaltige Karriere – mit dem richtigen Job die Welt verändern. Anregungen für den Ein- und Umstieg in die Nachhaltigkeit.” Mach uns doch bitte ein bisschen Lust auf den Beruf Nachhaltigkeitsmanager:in!

Aus meiner Sicht ist es ein Job, der Spaß bringt, weil man etwas in der Welt in die richtige Richtung bewegt. Als Nachhaltigkeitsmanager:in trifft man meist auf sehr positiv gestimmte Menschen im Unternehmen, die auch Lust darauf haben, Nachhaltigkeit miteinander voranzutreiben, und wissen, dass es etwas Wichtiges und Richtiges ist. Das sind zum Beispiel Menschen aus anderen Fachabteilungen mit verschiedenen Hintergründen und unterschiedlichen Alters, die privat schon teilweise nachhaltig leben, aber noch gar nicht wissen, wie sie das mit ihrem Job verknüpfen können.

CSR-Manager:in ist ein recht junges Berufsbild. Aus welchem Grundberuf kommen Nachhaltigkeitsmanager:innen?

Sustainability Manager waren bisher vor allem Quereinsteiger:innen wie beispielsweise Betriebswirt:innen, Sozialwissenschaftler:innen, Ingenieur:innen und Kommunikator:innen. Auf der einen Seite sind das Menschen wie ich, die über das Thema Nachhaltigkeit im positiven Sinne stolpern und merken, das ist genau das, was ich machen möchte. Auf der anderen Seite werden Menschen oft aus der Kommunikations- oder Marketingabteilung auf die Stelle gesetzt. Denen wird gesagt, wir müssen da etwas zum Thema CSR machen, könnt ihr das nicht irgendwie mitmachen. Ich finde es allerdings schade, wenn Mitarbeiter:innen für Nachhaltigkeit zuständig sind, die gar keine Lust darauf haben, nach “Schema F” arbeiten und dadurch nicht die volle Wirkung erzielen können.

Heute gibt es aber auch viele gut ausgebildete Personen, die das studiert haben und letztlich nach solchen Rollen im Unternehmen suchen.

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Aus welchem Antrieb heraus ergreift man diesen Beruf?

Eine Rolle spielt hier, ein gewisses Mindset zu haben und dass man sich vielleicht privat mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzt. Nachhaltigkeitsmanager:innen haben meist gewisse Werte in der Erziehung oder aus dem Umfeld mitbekommen. Sie halten es für sinnvoll, nicht zu Lasten von anderen Menschen, Tieren und Umwelt zu wirtschaften, sondern auf eine Weise, dass es allen dabei gut geht.

Aber Hand aufs Herz: Was verdient man als Nachhaltigkeitsmanager:in?

Nachhaltigkeitsmanager:innen verdienen ein Gehalt, das vergleichbar ist mit anderen Funktionen in einem Unternehmen. Es fällt mir aber schwer, eine Hausnummer zu nennen. Ein Beispiel: Ein Kollege ist vor ein paar Jahren mit 45.000 Euro und eine Kollegin etwas später mit 60.000 Euro in den Job eingestiegen. Das Gehalt hängt dabei extrem vom Unternehmen, der Unternehmensgröße, Branche und Berufserfahrung ab. Anders ist es bei NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen), Sozial- oder Umweltorganisationen, bei denen man in einem niedrigeren  Gehaltsgefüge weniger verdient.

Wie wird man Nachhaltigkeitsmanager:in?

Zum einen ist eine Spezialisierung über ein Studium möglich – zum Beispiel mit einem Master in Sustainability Management, mit einem Vertiefungsschwerpunkt im Studiengang oder einem MBA (Master of Business Administration) in diesem Bereich. Zum anderen ist für Quereinsteiger eine Weiterbildung zu empfehlen. Das Wichtigste ist am Ende die Berufserfahrung, aber ich benötige natürlich auch das theoretische Wissen, damit ich das in den Beruf einbringen kann.

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Welche Kompetenzen sollte man mitbringen?

Was Sustainability Manager als Basis benötigen, ist das Fachwissen. Daneben sind aber soziale, kommunikative und Persönlichkeits-Kompetenzen viel wichtiger. Das Ergebnis meiner Doktorarbeit war, dass man in bestimmten Dingen gut sein sollte, um seinen Job auch gut zu machen. Bei Nachhaltigkeitsmanager:innen sind das Kompetenzen wie Glaubwürdigkeit und Authentizität – dass ich vorlebe, was ich von anderen erwarte. Es geht aber auch um das Thema Beziehungsmanagement – ich muss gut darin sein, Beziehungen intern aufzubauen, das Vertrauen von anderen Menschen zu gewinnen und Interaktionen zu führen. Man benötigt auch Konfliktlösungskompetenz und Kompromissfähigkeit – man muss mit Zielkonflikten umgehen können, wenn man mit seinen sozialen und ökologischen Zielen und Themen auf ein Unternehmen trifft, das ja klassischerweise eher auf Finanzzahlen ausgerichtet ist. Sehr wichtig sind darüber hinaus Beharrlichkeit und Geduld – auch wenn ich eigentlich ein ungeduldiger Mensch bin, muss ich immer überlegen, wann für ein Nachhaltigkeitsthema der richtige Zeitpunkt ist und der Mensch mir gegenüber dafür offen ist.

Nachhaltigkeitsmanagement ist in den vergangenen Jahren essentiell für Unternehmen geworden. Warum sind Unternehmen erst jetzt darauf gekommen, etwas ändern zu wollen?

Die Regulatorik spielt eine große Rolle – vor allem für die Unternehmen, die Nachhaltigkeit davor nicht richtig ernst genommen haben. Viele Unternehmen wollen sich erst damit beschäftigen, wenn die Rahmenbedingungen für alle gelten. Ich persönlich halte das nicht für klug, weil es bei Nachhaltigkeit auch um die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens geht. Es gibt aber auch viele Unternehmen, die sich aus einer Werteüberzeugung oder einer langfristigen Sichtweise heraus schon länger mit dem Thema auseinandersetzen. Häufig hängt das mit der Führungsmannschaft zusammen, die vom Thema Nachhaltigkeit überzeugt ist. Außerdem merkt man aktuell überall auf der Welt, dass der Klimawandel vor der Tür steht, und das bringt auch viele zum Umdenken und Aufwachen.

Inwiefern hat sich damit die Stellung der Nachhaltigkeitsmanager:innen im Unternehmen verändert?

Die Wahrnehmung hat sich in vielerlei Hinsicht geändert. Den Unternehmen ist klar geworden, dass sie Ressourcen benötigen, um ein Nachhaltigkeitsmanagement wirksam umzusetzen. Auch in kleineren Unternehmen kann das keine One-Man- oder One-Woman-Show sein. Das Thema Nachhaltigkeit ist komplex und interdisziplinär, deswegen werden mehrere Expert:innen benötigt. Interessant ist auch, dass der Beruf Nachhaltigkeitsmanager:in auch intern im Unternehmen inzwischen mehr als Karrieremöglichkeit wahrgenommen wird. Und natürlich wird man mehr und mehr ernst genommen im Unternehmen, statt belächelt und in die soziale oder Öko-Ecke gestellt zu werden, wie das vielleicht früher mal der Fall war. Auch inhaltlich haben sich die Rollen verändert, es geht neben sozialem Engagement und dem Umweltmanagement nun stark um die Kerngeschäftstätigkeit des Unternehmens.

Ist das Thema Nachhaltigkeit damit angekommen, wo es hingehört: Im Zentrum eines Unternehmens, in der Unternehmensstrategie?

In der Masse ist es dort noch nicht angekommen. In Unternehmen, die sich seit 10 oder 15 Jahren mit Nachhaltigkeit beschäftigen oder Nachhaltigkeit über ihr Werteverständnis schon immer auf der Agenda haben, fließt es in die Unternehmensstrategie ein. Bei großen, börsennotierten Unternehmen passiert das ebenfalls immer öfter, aber bei ganz, ganz vielen ist das noch nicht der Fall.

Welche Aufgaben haben Nachhaltigkeitsmanager:innen?

Das hängt von der Unternehmensgröße ab. In kleinen Unternehmen ist das oft eine One-Woman- oder One-Man-Show und Nachhaltigkeitsmanager:innen machen einfach alles. In großen Unternehmen herrscht dagegen eine größere Spezialisierung, da gibt es eine oder sogar mehrere Personen, die für ein oder zwei Themen zuständig sind.

Als erste Aufgabe schaue ich mir an, welche Nachhaltigkeitsthemen für mein Unternehmen strategisch relevant sind – bei einem produzierenden Gewerbe ist das vielleicht die Dekarbonisierung. Grundlage dafür sind klassische Analysen wie Stakeholder-Befragungen und Wesentlichkeitsanalysen, anhand derer man sieht, wie die strategische Ausrichtung sein soll. Außerdem kann ich mich mit den Sustainable Development Goals befassen und schauen, wie und zu welchen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen das Unternehmen beiträgt.

Als nächstes kommt das Reporting, das ein wichtiges, jährlich wiederkehrendes und zeitintensives Thema ist. Mit der Berichterstattung erfasse ich, wie der Status quo ist, welche Kennzahlen ich in Ableitung der Strategie messen und was ich alles in den Nachhaltigkeitsbericht packen will.

Eine weitere Aufgabe ist die interne und externe Kommunikation. Da geht es beispielsweise um die Fragen: Wie nehme ich die Kolleg:innen mit? Wie schaffe ich Multiplikatoren und Change Agents im Unternehmen? Und wie bilde ich Mitarbeiter:innen weiter? Externe Kommunikation geht in Richtung: Wie möchte ich Transparenz schaffen zu dem, was wir da tun? Und wie möchte ich mich dazu aus einer Marketing- und Branding-Sicht positionieren?

Außerdem muss ich mich inhaltlich um die Themen kümmern. Man muss beispielsweise analysieren, welche Auswirkungen das Unternehmen auf die Umwelt hat und wie man sie reduzieren kann, und auf dieser Basis Maßnahmen definieren und umsetzen. Analog läuft das auf der sozialen Seite und betrifft dort beispielsweise Mitarbeiterzufriedenheit, Diversity bis hin zu Menschenrechte in der Lieferkette. Im Bereich Corporate Citizenship kann ich mich um soziale Projekte wie Kooperationen, zum Beispiel mit SOS-Kinderdörfern, kümmern.

In einem börsennotierten Unternehmen geht es auch darum, die Rating-Anfragen zu beantworten und zusätzlich zum Nachhaltigkeitsbericht weitere Informationen und Daten zur Verfügung zu stellen, damit man extern bewertet werden kann.

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Das Thema Nachhaltigkeit ist sehr vielfältig – bei den Karrierewegen sieht es ähnlich aus. Welche Karrierewege kann man als CSR-Manager einschlagen?

Da sollte man zunächst in sich hineinhören und schauen, was einen im Bereich Nachhaltigkeit am meisten interessiert. Sind es eher die sozialen Themen oder will ich dem Klimawandel begegnen? Dann geht es noch um die Organisationsform, in der man arbeiten möchte. Ist es die kleine NGO oder der große Konzern, in dem man eher ein kleines Rädchen ist, das aber große Auswirkungen haben kann? Eine Möglichkeit ist auch die Politik, in der man wahnsinnig viel bewegen kann.

Deswegen würde ich empfehlen, mit Leuten in diesen Positionen zu reden. Im Idealfall kann man seine neue Rolle mit dem verknüpfen, was man davor schon gemacht hat. Zum Beispiel: Ein Controller kann sein Wissen im Bereich Umwelt- oder soziales Controlling einbringen. Auch im Marketing oder der Kommunikation kann man sich gut weiterbilden und es gibt viele Schnittstellen bei Ingenieur:innen.

Wie wird sich das Berufsbild Nachhaltigkeitsmanager:in in den nächsten Jahren weiterentwickeln?

Aktuell ist eine extreme Boomphase, Nachhaltigkeitsmanager:innen werden händeringend gesucht. Ich gehe davon aus, dass das noch eine ganze Weile so weitergehen wird, weil sich mit der Regulatorik, dem sich verstärkenden Klimawandel und der Biodiversitäts-Krise viel bewegt. Meine Hoffnung ist, dass Nachhaltigkeit in der Zukunft so in Unternehmen integriert ist, dass man nicht mehr so viele Nachhaltigkeitsmanager:innen in eigenen Abteilungen benötigt, sondern dass diese Leute direkt in den einzelnen Fachabteilungen sitzen und Maßnahmen umsetzen. Idealerweise hat jeder Lieferketten-Experte, jeder Ingenieur sowie jeder in der Entwicklung und Produktion Ahnung von Nachhaltigkeit und denkt das gleich mit. Ich glaube allerdings, dass wir noch relativ lange selbstständige Nachhaltigkeits-Abteilungen haben werden, weil sie alles strategisch steuern und hier auch meist das Reporting zusammenläuft.

Dr. Saskia Juretzek

ist Head of Sustainability bei der Tengelmann-Gruppe. Seit über zehn Jahren ist sie als CSR-Managerin in Nachhaltigkeitsabteilungen von Großkonzernen aktiv. Sie hat im Bereich Nachhaltigkeit promoviert und bringt sich an diversen Hochschulen und Universitäten in die Lehre ein. Dr. Saskia Juretzek ist darüber hinaus Mitgründerin der Initiative „futurewoman“, die Frauen im  Nachhaltigkeitsbereich vernetzt. Außerdem gibt sie in der VERSO Academy ihr umfangreiches Wissen weiter und spricht als Referentin über die Themen CSR-Strategie und CSR in der Organisation.

Dr. Saskia Juretzek, Head of Sustainability bei der Tengelmann-Gruppe

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